Das Publikationsprojekt macht die Ergebnisse von Studien zur deutschen Buch-, Medien- und Lesergeschichte zugänglich, die in den vergangenen vier Jahrzehnten aus der Feder Reinhart Siegerts zu den Bemühungen der deutschen Aufklärung zur Verbesserung der Volksbildung entstanden sind – von den Zeitgenossen wurde dies als „Volksaufklärung“ bezeichnet. Im Mittelpunkt standen dabei Anstrengungen, mit zum Teil ganz neuen Medien vor allem diejenigen neunzig Prozent der Bevölkerung anzusprechen, die in der Landwirtschaft arbeiteten.
Standen am Anfang ganz neue kurze Anleitungen zur Land- und Hauswirtschaft, so entdeckten die Aufklärer schnell, dass unterhaltsam gestaltete Lesestoffen dazu noch besser geeignet waren. Neben Erzählungen, in die belehrende Teile integriert waren, wurden auch kurze Flugschriften, Kalender, Zeitungen und Zeitschriften genutzt. Die deutsche Aufklärung, so zeigen die Studien, ist weit mehr als ein gekrönter Friedrich, sie ist kein reines Spielwerk von Philosophen und Intellektuellen, sondern geprägt von tausenden Pfarrern, die Vernunft das Wort sprachen und die Erde nicht mehr als Jammertal begreifen mochten. Sie sahen den Menschen in der Pflicht, sein eigenes Schicksal tatkräftig selbst zu gestalten.
Reinhart Siegert hat mit seinen Forschungen maßgeblich zu einem neuen Bild der deutschen Aufklärung beigetragen. Seine interdisziplinär angelegten Arbeiten zur Bildungs- und Mediengeschichte im 18. und 19. Jahrhundert zeigen nachdrücklich, dass die Aufklärung im deutschsprachigen Raum keineswegs auf Selbstaufklärung der Gebildeten und Gelehrten beschränkt blieb, sondern in einer praktischen Reformbewegung mit vielen helfenden Händen und Köpfen der Maxime Rechnung trug, die 1818 ein katholischer Theologe so formulierte: „Eine Aufklärung, die nur den Aufgeklärten aufklärt, und den größten Theil der Menschen, die auf höhere Wissenschaften sich nicht verlegen können und nicht sollen, nothwendig in Finsternissen läßt, verdient schlechterdings den Namen Aufklärung nicht.“
Die Studien bieten zentrale Forschungsergebnisse zur Buch-, Leser-, Medien- und Kommunikationsgeschichte, die bisher weit verstreut nur mühsam zugänglich waren, sie können nun weitere Forschungen zur deutschen Aufklärung befruchten.
Die beiden ersten Bände der Studien stellen eine Einladung ins Zeitalter der Aufklärung dar, eine Einladung in ein Zeitalter, das die Menschen vom „Jammertal“ zum „Himmel auf Erden“ führen wollte. 60 Einzelstudien und über 300 Bilder lassen den Optimismus der Zeit lebendig werden, zeigen aber auch die Grenzen und Restriktionen auf, die die Umsetzung in die Praxis erfuhr.
Diese erfolgte zu einem beträchtlichen Teil erst im 19. Jahrhundert und prägt den deutschen Sprachraum bis heute. Gemeinsames Band der vielfältigen Einzelthemen ist, dass sie aus unverbrauchtem Quellenmaterial der Volksaufklärung geschrieben sind.
Der dritte Band der Studien zum Zeitalter der Aufklärung bietet Reinhart Siegerts bahnbrechende Monographie „Aufklärung und Volkslektüre“ von 1978, die maßgeblich zu einem neuen Bild der deutschen 18. und 19. Jahrhunderts beigetragen hat. Denn sie zeigt, dass die Aufklärung im deutschsprachigen Raum keineswegs auf Selbstaufklärung der Gebildeten und Gelehrten beschränkt blieb, sondern in einer praktischen Reformbewegung mit vielen helfenden Händen und Köpfen mündete. Rudolph Zacharias Becker war der prominenteste und tonangebende von mehreren tausend Autoren, die sich bemühten, das Gedankengut und Ethos der Aufklärung zu popularisieren und in Köpfen und Herzen der Bevölkerungsmehrheit zu verankern. Sein Motto war: „Ich wollte für Menschen arbeiten, die des Lesens ungewohnt und darunter viele sind, denen es saurer ankommt, als das Dreschen.“
Die Neuausgabe ist vielfach ergänzt und erweitert – nicht zuletzt durch den Abdruck von Quellentexten –, durch weit über 100 Abbildungen veranschaulicht und mit einer aktualisierten Personalbibliographie Rudolph Zacharias Beckers versehen.
Bd. 1: Gesammelte Studien zur Volksaufklärung
Bd. 2: Gesammelte Studien zum Literarischen Leben der Goethezeit, zur Sozialgeschichte der Literatur, zu den Konfessionskulturen, zur Alphabetisierung und zur Nationalbibliographie der deutschsprachigen Länder
Bd. 3: Aufklärung und Volkslektüre. Exemplarisch dargestellt an Rudolph Zacharias Beckerund seinem Noth- und Hülfsbüchlein. Ergänzte und erweiterte Neuausgabe, mit einer aktualisierten Personalbibliographie.
Autor: Reinhart Siegert
Reihe: Presse und Geschichte – Neue Beiträge, herausgegeben von Astrid Blome, Holger Böning und Michael Nagel, Bde. 142 und 143
Verlag: edition lumière
Erscheinungsjahr: 2020, 2021
ISBN 978-3-948077-14-3 und 978-3-948077-15-0 und 978-3-948077-19-8
https://www.editionlumiere.de/siegert-aufklaerung.html